Pepita steht vor dem Stall und will sich gerade nicht mehr bewegen. Francesco de Benedetto nimmt es gelassen: «Das ist eben auch schön, wenn sie manchmal etwas störrisch sind», findet er. Schliesslich lässt sich seine Lieblingskuh doch noch erweichen und schreitet fürs Foto mit ihm auf die nahe Wiese. Pepita ist eine Brown-Swiss-Kuh, die hohe Leistung und hervorragendes Exterieur mit guten Charakter vereint, wie der 20-Jährige lobt. Weder eine Wissenslücke noch ein Akzent deuten darauf hin, dass de Benedetto weder auf einem Landwirtschaftsbetrieb noch in der Schweiz aufgewachsen ist.

Swissness im Blut von den Grosseltern 

Tatsächlich kam Francesco de Bendetto erst vor sieben Jahren in die Schweiz. «Die Swissness habe ich aber schon im Blut, von meinen Grosseltern», meint er. Sie waren damals in den Süden ausgewandert. Zur Landwirtschaft sei er durch Zufall – oder Schicksal – gekommen, nachdem er zuerst eine Lehre als Sanitär abgeschlossen hatte: «Ich habe auf einem Betrieb in der Nachbarschaft ausgeholfen und festgestellt, dass ich meiner Lebtage nichts anderes machen will.» Somit habe die Landwirtschaft ihn gefunden und nicht umgekehrt. Auch die Lehrstelle auf dem Betrieb Bachmatte der Familie Schmid suchte er nicht direkt aus, sondern erfuhr durch einen Besuch des Betriebsleiters bei seinem Nachbaren davon. Während seiner Lehrzeit im luzernischen Schüpfheim entdeckte der Solothurner seine Leidenschaft fürs Braunvieh.

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Nicht nur für sich selbst arbeiten

«Lehrling des Jahres 2022»Montag, 14. März 2022 Dass der Gemüsebau nichts für ihn ist, da ist sich der angehende Landwirt sicher. «Ich habe mehr Freude an Tieren als an Traktoren», so seine Begründung. Am Abend könne er sich auf die Schulter klopfen, wenn alle Kühe im Stall gemolken und zufrieden sind. Es ist ihm wichtig, dass er nicht nur für sich arbeitet, sondern dass auch andere etwas davon haben. «Die Milch wird zu Käse, damit trage ich zur Lebensmittelversorgung bei», erklärt Francesco de Benedetto. Die Stallzeit sei für ihn die schönste Zeit des Tages, wobei das Melken der grossen Herde noch das Kleinste sei – «es dauert eine Weile, bis man alle Tiere einmal gesehen und sich vergewissert hat, dass es ihnen gut geht».

Steckbrief
Name: Francesco de Benedetto
Alter: 20 Jahre
Wohnort: Gretzenbach SO
Ausbildungsbetrieb: Bachmatte, Familie Schmid in Schüpfheim LU
Lehrjahr: 2. Lehrjahr in Zweitausbildung

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Treicheln und Glocken als Hobby

[IMG 4]Ein weiterer Grund, warum man in Francesco de Benedetto bis auf den Namen kaum einen Italiener vermuten würde, ist seine Liebe zu Schweizer Traditionen. Ziselierte Kühe glänzen im Sonnenlicht an seinem Gürtel in bester Appenzeller Manier und im Ohr trägt er ebenfalls eine kleine Kuh aus Metall. Passend dazu hat er für seine Freizeit das Instandsetzen von Glocken und Treicheln für sich entdeckt, die er in stundenlanger Arbeit von Staub und Schmutz befreit, poliert und die Gurte fettet. Zwei bis drei Stunden dauere das pro Stück. Beim Alpabzug kommen seine Leidenschaft für die Viehzucht, Landwirtschaft und Tradition zusammen, «beim Anblick von braunen Kühen mit Stirngurten, Blumenschmuck und Treicheln ist von mir nur noch Augenwasser zu erwarten», schildert de Benedetto. Er habe den letzten Alpabzug filmen wollen, aber seine Hände hätten zu sehr gezittert, um etwas Brauchbares festzuhalten.

Bescheidene Wünsche und Vorlieben

Bei der Frage nach einer Superkraft, die er gerne haben würde, gibt er sich bescheiden. «Ich würde gerne Jodeln können», meint der Lehrling, «aber nicht, um damit aufzutreten». Auf einer Bühne würde er sich nicht wohl fühlen, einzig der Tradition wegen würde er den typisch schweizerischen Gesang beherrschen wollen. Um zu seinem Lieblingsessen zu kommen, muss er indes weder ein Jodelstar werden noch sich besondere Kochkünste aneignen: Er bevorzuge Käse und Brot. «Am besten aus der Käserei und vom Bäcker, das macht schon einen Unterschied zu Discounterware», ergänzt Francesco de Benedetto. Sein Lieblingsessen macht sich auch sehr gut in der Traumvorstellung seiner Zukunft, denn der Solothurner würde sich einen eigenen Betrieb mit einer guten Alp dazu wünschen. «Wo genau ich in fünf Jahren bin, weiss ich aber noch nicht», stellt er klar. Als fertig ausgebildeter Landwirt möchte er ein paar Mal z’Alp, sich «ausleben im Einklang mit den Tieren und der Natur». 

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Auch auf Umwegen ans Ziel

Trotz seiner Vorliebe für Traditionen und das einfache Alpleben ist Francesco de Bendetto der Meinung, dass sich die Landwirtschaft anpassen können muss. «Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden, das für alle Beteiligten stimmt. Eine nachhaltige und gerechte Landwirtschaft», erläutert er auch mit Blick auf die Politik.

Auf dem Rückweg zum Stall beweist Pepita erneut ihren Eigensinn und zerrt den Lehrling in Richtung Züchterstübli, wo Schmids die Auszeichnungen aus 30 Jahren erfolgreicher Braunviehzucht aufbewahren. Francesco de Benedetto geht mit ihr einen Bogen und führt sie ohne grosses Gezerre zum Stalltor. Dass nicht immer alles geradlinig vonstattengeht, stört den Lehrling nicht. Bisher hat er schliesslich die Erfahrung gemacht, dass er auch mit Umwegen am Ende genau am richtigen Ort landet.

Fünf Fragen an Francesco
Welche Superkraft hättest du gerne? Jodeln können
Was sind deine Lieblingstiere? Kühe, vor allem braune
Dein Lieblingsessen? Käse und Brot
Deine liebste Arbeit? Arbeiten im Stall
Was machst du weniger gern? Rinder einfangen, wenn sie von der Weide abhauen

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[IMG 7]«Lehrling des Jahres 2022»
2021 hat die BauernZeitung erstmals einen Lehrling des Jahres gekürt. Die Auszeichnung stellt motivierten Berufsnachwuchs ins Zentrum. Zehn von Ihnen stellen wir Ihnen im Rahmen der Suche nach dem «Lehrling des Jahres 2022» vor. Wer den Titel schlussendlich tragen wird, bestimmen Sie in einer Online-Abstimmung ab dem 13. Mai.
Weitere Informationen und alle Porträts finden Sie im Dossier.